Mit acht Jahren stand ich bei uns in Brühl an der B51 und bestaunte die langen Autoschlangen, die in Richtung Nürburgring vorbeifuhren. Dann durfte ich zum ersten Mal mit zum „Ring“. Ich war überwältigt von der Atmosphäre, dem Bollern der Silberpfeile, dem Singen der Kompressoren. Rudolf Carraciola und Bernd Rosemeyer waren meine Helden.

Nach dem Krieg fuhr ich mit dem Fahrrad zum ersten Rennen, das auf dem Nürburgring wieder ausgetragen wurde. Das war noch vor der Währungsreform. Ab 1949 nahm ich statt des Fahrrads den LKW, mit dem ich sonst an die Mosel zum Weinkaufen fuhr. Auf der Pritsche fuhr der gesamte Kegelclub mit, um die Rennen zu besuchen. Es folgte dann meine eigene aktive Motorsportzeit im Moto-Cross und die Gründung eines Motorsportvereins.

Für mein erstes Rennen auf dem Nürburgring hatte ich mir den nagelneuen Mercedes 220 S meines Vaters „ausgeliehen“. Der war gerade im Urlaub und hatte natürlich keine Ahnung davon. Würde schon gut gehen. Aber prompt gab es im Fahrerlager die erste kleine Schramme, die ich notdürftig mit etwas schwarzer Farbe ausbesserte. Danach gewann ich dann eine Goldmedaille in der Rheinlandfahrt des ADAC. Hinterher gab es natürlich mächtig Ärger zu Haus.

Der Mercedes von Vater Flimm

Der erste „Renner“, der Mercedes des Vaters, im Brünnchen

Über meine jahrzehntelange Tätigkeit im ADAC begegnete ich dann dem Nürburgring aus Sicht des Veranstalters. Unzählige Veranstaltungen wurden von den ADAC-Regionalclubs oder auch von der ADAC-Zentrale in München auf dem Nürburgring durchgeführt. ADAC-Ortsclubs waren ständig im Einsatz am Nürburgring. 1970 veranstaltete der ADAC Nordrhein zum ersten Mal ein 24-Stunden-Rennen auf der Nordschleife, das sich schnell zum Höhepunkt des Rennjahres entwickelt hat.

Doch Mitte der siebziger Jahre begann das große Jammern. Veranstaltungen auf der Nordschleife seien nicht mehr finanzierbar, die Anforderungen stiegen ständig an, die Fernsehanstalten beklagten den Aufwand der für ihre Zwecke viel zu langen Strecke. Ich habe dann alle beteiligten Entscheider zusammengeholt und auf einen Plan für eine neue Kurzstrecke eingeschworen. Die alte Betonschleife sollte durch eine moderne Grand-Prix-Strecke ersetzt werden. Wesentliche Forderung dabei war, dass alle Investitionen a fonds perdu geleistet werden sollten, das heißt ohne Recht auf Rückzahlung. Ich gründete den Verein „Ja zum Nürburgring“, um diesen Plan in die Tat umsetzen zu können. Nach sieben Jahren harter Arbeit und so manchem Kampf gelang es dann: die neue Strecke wurde gebaut und 1984 schuldenfrei an das Land Rheinland-Pfalz übergeben. Die Bundesregierung bot damals dem Verein an, ihren Anteil am Nürburgring auf den Verein zu übertragen. Aus heutiger Sicht muss ich sagen, leider habe ich stattdessen diesen Teil auf das Land Rheinland-Pfalz übertragen lassen.

Enthüllung der „Otto-Flimm-Strasse“ mit dem Namensgeber, Staatssekretär Frank Peter Basten, Geschäftsführer Rainer Mertel

 

Der Verein „Ja zum Nürburgring“ überzeugte den Bund, 50 Millionen DM zum Bau beizusteuern, und sammelte selbst 6 Millionen DM an Spenden ein. Später wollte das Land Rheinland-Pfalz diese zweckgebundenen Spenden in ein Darlehen umwandeln, das der Nürburgring an das Land hätte zurückzahlen müssen. Dies konnte der Verein unter Androhung eines Prozesses gerade noch verhindern.

Kurz nach der Jahrtausendwende hieß es dann, dass dem Nürburgring die Lizenz entzogen werden sollte, da er nicht über die laut FIA erforderlichen Schutzzäune verfügte. Das Land, das nur wenige Jahre später an gleicher Stelle 500 Millionen € versenken sollte, sah sich außerstande, dieses Problem zu lösen. Wiederum sprang der Verein „Ja zum Nürburgring“ ein und steuerte 2007 Spenden in Höhe von 1,6 Millionen Euro bei. Die Zäune wurden gebaut, die Lizenz war gerettet.

Hoher Besuch am Ring: Otto Flimm mit Helmut Kohl, Bernie Ecclestone und FIA-Präsident Max Mosley (v.r.) beim Rennen 1997

Ich könnte nun viel schreiben zu den Fehlern der Landesregierung, der Insolvenz und den unsäglichen Vorgängen rund um den Verkauf des Nürburgrings. Der Motorsportbetrieb läuft derzeit recht glatt, doch viele Sorgen um die langfristige Zukunft bleiben.

Schwer zu ertragen ist für mich aber die Tatsache, dass das Eigentum an diesem automobilen Kulturgut nicht mehr in den Händen der Allgemeinheit liegt. Dafür wurde der Nürburgring seinerzeit nicht gebaut.

Heute geht es aber um ein großes Jubiläum, und da wünsche ich dem Nürburgring nur das Beste zu seinem 90. Geburtstag. Vor allem, dass er seine bestimmungsgemäße Aufgabe für die Menschen der Region, den Breiten- und den Spitzensport wie auch für die Industrie noch viele Jahre erfüllen kann.

Der Nürburgring war es für mich immer und wird es auch für die mir noch beschiedene Zeit bleiben: eine Herzensangelegenheit.

 

Zu Otto Flimm:

Otto Flimm wurde zwei Jahre nach der Eröffnung des Nürburgrings geboren. Mit 21 Jahren trat er 1950 in den ADAC ein, von 1981 bis 2001 führte er den ADAC e.V. als Präsident. Insgesamt gehörte er 33 Jahre dem Präsidium an, hinzu kommen 44 Jahre im Vorstand des Regionalclubs Nordrhein und 65 Jahre als Ortsclubvorsitzender. Zu seinem Ausscheiden aus dem Präsidium wurde ihm die Ehrenpräsidentschaft verliehen. Neben vielen anderen Auszeichnungen ist der Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse unter anderem Ehrenvizepräsident des Welt-Automobilverbandes FIA. Seit 1981 setzt er sich als Vorsitzender des Vereins „Ja zum Nürburgring“ für den Erhalt des Nürburgrings ein.

Bildnachweis: Otto Flimm, Aus dem Sattel in den Sessel, ADAC Verlag GmbH, 2000