Am 10. Juli 2015 hat der Verein „Ja zum Nürburgring“ Klage beim Europäischen Gericht eingereicht. Die Wenigsten unter uns haben sich schon einmal näher mit einer solchen Klage beschäftigt, schon gar nicht im Umfeld des Nürburgrings. Deshalb werde ich hier in möglichst knapper und einfacher Form wesentliche Fragen rund um diese Klage beantworten. Teil 1 gibt es hier, Teil 2 hier.

Warum war der Beschluss der KOM falsch?

Es gibt insgesamt neun verschiedene Klagegründe, die in großem Detail herausarbeiten, welche Fehler die Europäische Kommission (KOM) unserer Meinung nach bei ihrem Beschluss gemacht hat. Es macht keinen Sinn, auf diese umfangreichen Details hier einzugehen, dafür ist das Verfahren da.

Ein wesentlicher Fehler war allerdings, dass die KOM die Angaben, die ihr von Deutschland gemacht wurden, als gegeben hingenommen hat, obwohl ihr anders lautende Informationen vorlagen.

Nehmen wir mal folgendes Beispiel aus dem Beschluss (Randnummer 142). Hier heißt es „nach Angaben der Insolvenzverwalter“

Dagegen habe Herr Robertino Wild, der Gesellschafter von Capricorn, umfangreiche Sicherheiten gestellt, und die Fremdfinanzierung von Capricorn sei durch eine geschäftsübliche Finanzierungsbestätigung der Deutschen Bank unterlegt worden. Die Insolvenzverwalter hätten diese Finanzierungsbestätigung geprüft und dem Gläubigerausschuss über das Ergebnis ihrer Prüfung berichtet, dass nämlich die Finanzierungsbestätigung keine ungewöhnlichen Vorbehalte oder Bedingungen enthielt.


Bei der sogenannten Finanzierungsbestätigung handelte es sich um ein Schreiben der Deutschen Bank vom 11. März 2014 an Robertino Wild bzw. capricorn. Das war aber alles andere als eine Bestätigung. Dort heißt es nämlich:

This term sheet is for discussion purposes only and is not intended to create any legally binding obligations between us.
(Dieses Termsheet dient lediglich Gesprächszwecken und soll keine rechtlich bindenden Verpflichtungen zwischen uns schaffen.)


Deutlicher kann man kaum ausdrücken, dass ein Schreiben völlig unverbindlich ist. Mehr Details zu diesem Schreiben sind hier und hier zu finden.

Schaut man sich daraufhin die Aussage im Beschluss an, stellt man fest:

  • Der Begriff „Finanzierungsbestätigung“ ist falsch. „Unverbindliches  Informationsschreiben mit vielen Vorbehalten“ wäre näher an der Realität gewesen.
  • Die „Insolvenzverwalter“ hätten geprüft, heißt es. Irgendwo ist wohl auf dem Weg zwischen der Prüfung und der Aussage im Gläubigerausschuss bis hin zum Beschluss der KOM die wundersame Umwandlung von einem völlig unverbindlichen Schreiben zu einer „geschäftsüblichen Finanzierungsbestätigung“ erfolgt.

Kurz zusammengefasst: Der Beschluss bezieht sich (nur) auf die „Insolvenzverwalter“ und deren Aussage, dass die Finanzierung gesichert und ohne „ungewöhnliche Vorbehalte oder Bedingungen“ war. Die Realität sah anders aus.

Und das ist sehr bedeutsam, weil die sogenannte Transaktionssicherheit – oder auf gut Deutsch die Frage, ob der Käufer die Kohle hat oder nicht – ein wesentliches Zuschlagskriterium im Verkaufsprozess war. Nexovation wurde z.B. ausgegrenzt, weil sie noch keine ausreichende Finanzierungsbestätigung vorgelegt hatten.

Wenn aber die Fakten nicht mit den von den „Insolvenzverwaltern“ gemachten Aussagen übereinstimmten, dann hat die KOM auf einer falschen Grundlage entschieden Der Zuschlag ist nicht in einem EU-konformen Verfahren nach nachvollziehbaren und transparenten Kriterien erfolgt. Daher ist dann auch der Beschluss falsch.

Die KOM hätte gut daran getan, jede einzelne Aussage der „Insolvenzverwalter“ in Frage zu stellen. Und das wird ihr vorgeworfen.

Ein sehr schwieriges Thema, ohne Frage. Aber vielleicht zeigt dieses Beispiel einmal auf, mit welchen Details sich die Klage beschäftigt.

Warum heißt es: die „Insolvenzverwalter“?

Ich habe mehrfach den Begriff in Anführungszeichen gesetzt, weil er allgemein so benutzt wird. Tatsächlich lohnt es sich aber, mal ein wenig genauer auf die Situation zu schauen.

Bei einer Regelinsolvenz wird vom Insolvenzgericht ein unabhängiger Insolvenzverwalter bestimmt, der das Insolvenzverfahren durchführt. Anscheinend nahm die KOM an, dass es sich auch in diesem Fall um einen oder vielleicht sogar zwei unabhängige Insolvenzverwalter handelte, deren Aussagen man ähnlich betrachten könnte wie die beispielsweise eines Notars.

Am Nürburgring handelt es sich aber nicht um eine Regelinsolvenz, sondern um eine Insolvenz in Eigenverwaltung. Dieser Weg wird eingeschlagen, wenn die in Schieflage geratene Gesellschaft, also hier die Nürburgring GmbH, das Insolvenzverfahren selber abwickeln will. Während aber bei einer Regelinsolvenz am Ende die Auflösung der insolventen Gesellschaft steht, gibt es bei der Insolvenz in Eigenverwaltung ein vornehmliches Ziel: die Sanierung. Das wäre auch am Nürburgring das Ziel gewesen, aber einen Sanierungsplan oder Schritte zur Sanierung hat es nicht gegeben, es wurde sehr schnell der Verkauf eingeleitet.

Doch zurück zu den Beteiligten. Während der Eigenverwaltung führt der Geschäftsführer selbst die Geschäfte und gestaltet maßgeblich die Geschicke der Gesellschaft. Dieser Geschäftsführer heißt Prof. Dr. Dr. Thomas B. Schmidt, M.A., auch oft Sanierungsgeschäftsführer genannt. Er ist aber, auch wenn er in anderen Verfahren als Insolvenzverwalter auftritt, am Nürburgring nicht als unabhängiger Insolvenzverwalter im oben genannten Sinne tätig.

Weiterhin gibt es einen Sachwalter, der vom Insolvenzgericht bestellt wurde. Das ist Rechtsanwalt Jens Lieser. Er bestimmt aber offiziell nicht den Gang des Verfahrens, sondern er hat nur die Aufsicht über die Geschäftsführung. Auch er ist also kein unabhängiger Insolvenzverwalter, sondern Sachwalter.

Anstatt „die Insolvenzverwalter“ müsste man also korrekterweise sagen „der Geschäftsführer der insolventen Gesellschaft und der Sachwalter“ (ich kürze das mal mit die GiGuS ab).

Eine zentrale Rolle spielt der Gläubigerausschuss, der eigenständige Kontroll- und Überwachungsfunktionen hat. Der ist hier aber mehrheitlich mit Vertretern der öffentlichen Hand besetzt. Von der Durchführung und Ausgestaltung eines unabhängigen Insolvenzverfahrens kann daher unserer Ansicht nach bereits strukturell keine Rede sein. Die öffentliche Hand als Eigentümerin, die gleichzeitig die Geschicke der Gesellschaften über den Gläubigerausschuss bestimmte, hatte zentralen Einfluss auf die Art und Weise, wie die Eigenverwaltung und schließlich die Privatisierung des Nürburgrings gestaltet und durchgeführt wurde.

Wer es bis hierhin geschafft hat, dürfte erkennen können, dass es mit der Unabhängigkeit nicht weit her war, im Gegenteil. Das spiegelt sich dann auch in den nach Brüssel übermittelten Aussagen wieder. Der Gang war immer der Gleiche: Brüssel bat Deutschland (BMWi) um Stellungnahme, weil Deutschland der Mitgliedstaat in der EU ist. Das BMWi leitete flugs die Anfrage nach Mainz weiter, von wo sie mit flottem Volleyschlag nach Nürburg abgegeben wurde. Dort übernahmen dann die GiGuS mit den zuarbeitenden Helfern die Beantwortung. Von da aus ging das Schreiben dann zurück an Mainz und weiter nach Berlin. Von dort ging es als offizielle Stellungnahme der Bundesrepublik Deutschland nach Brüssel.

Aus Brüsseler Sicht war das also eine sehr zu beachtende Stellungnahme eines Mitgliedstaats, die man nicht einfach in Zweifel zieht. Man zog sie auch dann nicht in Zweifel, als mit den vielfachen Beschwerden immer mehr Beweise vorgelegt wurden. Schließlich kamen die Aussagen ja von Deutschland, und noch dazu von den „Insolvenzverwaltern“.

Die GiGuS sind Beteiligte einer durch die öffentliche Hand verursachten und anschließend in ihrer Abwicklung maßgeblich beeinflussten Insolvenz. Die KOM hätte im vorliegenden Fall der Insolvenz in Eigenverwaltung den Sachverhalt überprüfen müssen, anstatt sich ausschließlich auf die Aussagen „unabhängiger Insolvenzverwalter“ zu verlassen. Und deshalb habe ich den Begriff hier mal in Anführungszeichen gesetzt.

 

 

Pressekontakt:
Verein "Ja zum Nürburgring", Kontakt: Dieter Weidenbrück, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!