Am heutigen 18. Januar 2016 veröffentlichte die capricorn Nürburgring GmbH eine Pressemitteilung mit folgender Kernaussage:

GetSpeed GmbH & Co. KG hat seinen Geschäftsanteil an der capricorn NÜRBURGRING Besitzgesellschaft mbH deutlich reduziert. Damit gibt GetSpeed GmbH & Co. KG auch ihre Rolle in der Geschäftsführung der Nürburgring-Gesellschaften auf. Eine entsprechende Vereinbarung haben die beiden Gesellschafter am Freitag, 15. Januar 2016, unterzeichnet.

 

Dieser Kommentar soll erläutern, was das für die Verhältnisse am Nürburgring bedeutet – und was nicht.

Was genau hat sich geändert?

Die capricorn Nürburgring Besitzgesellschaft mbH (CNBG) ist das Unternehmen, das den Kaufvertrag für den Nürburgring unterzeichnet hat. Die Eigentümer der CNBG sind die russisch geführte NR Holding AG einerseits und die Getspeed GmbH andererseits. Die nachstehende Grafik verdeutlicht die bisherige Situation:

Die CNBG ist wiederum Eigentümer oder besser gesagt Inhaber sämtlicher Geschäftsanteile an der CNG, die den Pachtvertrag am Nürburgring hat und damit für die laufenden Geschäfte zuständig ist.

Nach der nun angekündigten Änderung sieht die Situation wie folgt aus:

neue CNBG-Struktur
Bisher ist nicht bekannt, wie groß der Anteil ist, den Getspeed an die NR Holding AG verkauft hat. Da die Presseerklärung aber von „deutlich reduziert“ spricht, kann man davon ausgehen, dass bei Getspeed nur noch ein kleiner Anteil, nach Angaben der Wirtschaftswoche unter 5%, geblieben ist, der für die weitere Betrachtung nur von geringer Bedeutung sein dürfte, und zwar aus einem wichtigen Grund.

Die Getspeed GmbH hatte eine Sperrklausel im Gesellschaftsvertrag der CNBG, die ihr trotz des kleinen Anteils eine Blockade von Beschlüssen ermöglicht hatte, solange ihr Anteil mindestens 20% betrug. Davon wurde im vergangenen Jahr reichlich Gebrauch gemacht. Getspeed war auf diese Weise in der Lage, Verträge und Entscheidungen zu blockieren. Nun sinkt der Anteil von Getspeed unter 20%, und damit ist die Sperrklausel wirkungslos. Die NR Holding kann nun jederzeit bestimmen, was in der CNBG und damit auch der CNG passiert.
Einfacher ausgedrückt gehört damit die CNBG fast vollständig dem russischen Konsortium, und das ist frei in seinen Entscheidungen. Da die CNG, die die laufenden Geschäfte betreibt, wiederum eine Tochter der CNBG ist, hat das russische Konsortium insoweit auch dort freie Bahn.

 

Welche unmittelbaren Auswirkungen wird das haben?

Laut Pressemitteilung wird Adam Osieka aus der Geschäftsführung der beiden Gesellschaften CNG und CNBG ausscheiden. Ob Carsten Schumacher als alleiniger Geschäftsführer bleibt, oder ob es eine komplette Neuausrichtung geben wird, muss sich zeigen.

Das laufende Geschäft wird davon zunächst nicht betroffen sein. Dazu gehören beispielsweise alle Verträge für den Veranstalter-Pool (ADAC Zurich 24h-Rennen, Truck GP, GT Masters, Blancpain Endurance Series, Historic Tropy Nürburgring, RGB-Saisonfinale, ADAC Westfalen-Trophy und die Läufe der RCN/GLP) sowie für die VLN, soweit bereits unterzeichnet.

Größere Änderungen im Motorsport sind erst nach Ablauf dieser Verträge möglich und auch durchaus realistisch.

 

Wem gehört denn jetzt der Ring?

An der Eigentumsfrage hat sich jetzt nichts verändert. Der Ring ist nach wie vor das Eigentum der NBR Ring GmbH & Co. KG. Das ist eine Treuhandgesellschaft, die vereinfacht gesagt durch einen Treuhänder kontrolliert wird.

Die CNBG hat zwar den Kaufvertrag unterzeichnet, aber der Eigentumsübergang hat noch nicht stattgefunden, weil ein Teil des Kaufpreises in Höhe von 45 Mio € noch nicht gezahlt worden ist. Warum das so ist, dazu weiter unten mehr.

Allerdings hat die CNG den Nürburgring gepachtet, und ist deswegen im Augenblick rechtmäßiger Besitzer. Das ist die Grundlage dafür, dass sie die Strecken vermieten und ihre Geschäfte am Ring führen kann.

Eigentum und Besitz

„Eigentum“ und „Besitz“ werden oft durcheinandergeworfen. Aber wenn ich etwas im Besitz habe, dann muss es noch lange nicht mein Eigentum sein.
Ein anschauliches Beispiel:

Wenn ein Dieb ein Auto stiehlt, dann ist der Dieb zwar anschließend im Besitz des Autos, aber das Auto ist nicht sein Eigentum. Der Dieb ist also Besitzer, aber niemals Eigentümer.

Ein anderes Beispiel wäre eine Mietwohnung: der Mieter besitzt die Wohnung, hat also die tatsächliche Verfügungsgewalt im Rahmen seines Mietvertrags. Auf der anderen Seite des Mietvertrags sitzt der Vermieter, der Eigentümer der Wohnung.

 

Woran hängt denn jetzt die Eigentumsfrage?

Wie oben geschrieben, befindet sich der Nürburgring unter der Kontrolle eines Treuhänders. Der Einfachheit halber soll die dazu benutzte, sehr komplexe Konstruktion nicht weiter betrachtet werden.

Die CNBG könnte nun aus eigenen Stücken tatsächlich Eigentümer werden. Sie braucht nur die 45 Mio € an die Insolvenzverwalter zu zahlen, dann ist die CNBG unwiderruflich Eigentümer. Ob die CNBG allerdings diesen Schritt wagen wird, ist jetzt die große Frage.

Denn nach wie vor gibt es bei der EU keine Rechtssicherheit. Die Klagen gegen den Beschluss der EU vom 1.10.2014 haben eine entscheidende Auswirkung auf die Situation. Kippt durch diese Klagen der damalige Beschluss der EU-Kommission, dann erbt der Käufer, also die CNBG, die Rückzahlungsforderung über knapp 500 Mio € aus dem Beihilferechtsverfahren, da die Rückforderungsansprüche den Vermögenswerten des Nürburgrings anhaften. Ohne über die Chancen zu spekulieren, die die Klagen beim Europäischen Gericht (EuG) haben, ist aber klar, dass auf jeden Fall dieses Risiko besteht. Es können also zwei Situationen entstehen:

  1. Die Klagen haben keinen Erfolg, der Beschluss der EU-Kommission bleibt bestehen.
    Dann läge, wenn niemand in eine Revision beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) geht, Rechtssicherheit vor. Die CNBG hätte keine Rückzahlung zu befürchten.
  2. Die Klagen haben Erfolg, der Beschluss wird für ungültig erklärt.
    In diesem Fall fällt die Verpflichtung zur Rückzahlung der unrechtmäßig gewährten Beihilfen auf die CNBG zurück.

Für den zweiten Fall gibt es im Kaufvertrag eine Ausstiegsklausel. Tritt er ein, dann werden die CNBG und die dahinterstehenden Russen wohl kaum knapp 500 Mio € auf den Tisch legen, um die Mißwirtschaft der rheinland-pfälzischen Landesregierung auszugleichen. Stattdessen werden sie sich aus dem Kaufvertrag zurückziehen.

Würde die CNBG jetzt aber durch Zahlung der 45 Mio € das Closing herbeiführen, dann gäbe es für sie kein Entkommen mehr, wenn die Klagen Erfolg haben sollten. Dieses Risiko wird kein Geschäftsmann eingehen wollen.

 

Bewertung

Bisher sind die russischen Investoren nur im operativen Geschäft tätig geworden, also bei den laufenden Geschäften. Dort hatten sie mit dem Widerstand von Getspeed zu kämpfen. Trotzdem sind gute Verträge für die kommenden drei Jahre geschlossen worden. Innerhalb dieser Zeit wird sich nicht viel verändern. Was danach kommt, steht in den Sternen.

Es stehen jetzt nur noch die Klagen von „Ja zum Nürburgring“ und NeXovation beim Europäischen Gericht zwischen den russischen Investoren und dem Eigentumsübergang. Sollten die Russen das Closing herbeiführen – ob mit Rechtssicherheit oder sogar ohne -, dann wird das eintreten, was die Landesregierung immer vehement bestritten hat.

Innenminister Roger Lewentz (SPD) hatte erst im vergangenen Jahr gesagt, es sei nicht erwünscht, dass etwa ein Oligarch aus Russland oder dem Nahen Osten den Nürburgring kaufe (Quelle: dpa).

Aber genau das wird dann das Ergebnis sein.

Ein Armutszeugnis für die Landesregierung, die in beispielloser Unfähigkeit den Nürburgring aus recht stabiler Lage erst in die Insolvenz getrieben hat, wie auch für die Insolvenzverwalter, die den Ring dann an einen Käufer ohne die nötigen Mittel verschleuderten, um ihn dann in einem fragwürdigen Zweitverkauf in die Hände russischer Investoren zu spielen.

 

Artikel der Wirtschaftswoche:
WiWo: KOMMENTAR - Ein Schritt nach vorn am Nürburgring

 


Pressekontakt:
Verein "Ja zum Nürburgring", Kontakt: Dieter Weidenbrück, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!