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Das ADAC Zurich 24h-Rennen 2016 steht vor der Tür, das bedeutendste Rennen des Jahres auf dem Nürburgring und besonders auf der Nordschleife. Eine gute Gelegenheit für eine Betrachtung, wie es mit dem Nürburgring nun weitergeht.

Die Capricorn Nürburgring Besitzgesellschaft (CNBG) hatte ja am 25.4.2016 den Teil des Kaufpreises an die Verkäufer des Nürburgrings gezahlt, der zum sogenannten Closing geführt hat. Damit ist die Verfügungsmacht über die Rennstrecken des Nürburgrings und die dazugehörenden Anlagen auf die Käufer übergegangen. Die Presseagentur der Insolvenzverwalter verkündete auch gleich „Rechts- und Planungssicherheit“. Es fragt sich nur, für wen.

Nach wie vor sind beim Europäischen Gericht (EuG) zwei Klagen gegen die Entscheidung der Europäischen Kommission (KOM) anhängig, den Verkaufsprozess als EU-konform einzustufen.

Betrachten wir also die jetzige Situation nach dem Closing etwas näher.

In Kürze:

  • Eigentümer des Nürburgrings ist die CNBG über eine Tochtergesellschaft, die NBR Holding GmbH & Co KG.
  • Die Käufer haben auf ihr Rücktrittsrecht für den Fall des Erfolges der Klagen verzichtet, wenn der Kaufvertrag nicht noch abgeändert wurde.
  • Die Klage der NeXovation Inc läuft nach unserem Kenntnisstand unverändert weiter.
  • Die Klage des Vereins „Ja zum Nürburgring“ läuft definitiv unverändert weiter.
  • Das Risiko, falls die Klagen Erfolg haben, trägt jetzt die Käufergesellschaft. Sie muss dann unter Umständen knapp 500 Millionen € an unrechtmäßig erhaltenen Beihilfen zurückzahlen.

 

Wem gehört jetzt der Nürburgring?

Das Eigentum am Nürburgring liegt schon seit einiger Zeit bei einer NBR Holding GmbH & Co KG. Stark vereinfacht gesagt, besaß die CNBG schon vor dem Closing rund 95% an dieser Firma. Die restlichen 4,9% lagen bei einem Treuhänder. Der Treuhänder hatte das Verfügungsrecht.

Nach Zahlung der 45 Millionen (zusammengesetzt aus 39 Mio in bar und 6 Mio angerechneter Pacht für 2015) wurden dann die restlichen 4,9% ebenfalls auf die CNBG übertragen, zusammen mit voller Handlungsfreiheit. Da nur Unternehmensanteile übertragen werden, fällt die Grunderwerbsteuer nicht noch einmal an, die beim Übertrag in die Treuhandgesellschaft gezahlt werden musste.

Nun hat die CNBG also mindestens zwei Tochterfirmen, nämlich die NBR Holding GmbH & Co KG mit dem Eigentum, und die CNG mit dem Pachtvertrag. Der wird natürlich jetzt überflüssig. Es ist zu erwarten, dass jetzt schnell Vereinfachungen der Strukturen vorgenommen werden, z.B. durch Verschmelzen von Gesellschaften.

Die CNBG hat damit jetzt volle Handlungsfreiheit und kann jederzeit einen Teil oder auch die gesamte Anlage weiterverkaufen, verschenken, umbauen usw. Ob die Namensrechte an der Marke „Nürburgring“ oder sogar das gesamte Eigentum in ein paar Monaten noch bei einem in Deutschland ansässigen Unternehmen liegen wird, ist damit nicht vorhersehbar.

Der Kaufvertrag ist gültig und vollzogen, da gibt es nun keinen Weg zurück mehr. Die russischen Investoren haben offensichtlich auf ihr Rücktrittsrecht verzichtet, dass sie bis zum Closing im Falle eines Erfolges der Klagen besaßen.

 

Zum Stand der Klagen

Hier schießen aktuell die Spekulationen ins Kraut. Die Fakten sind aber recht simpel.

NeXovation Inc. hat erst Mitte April nochmals einen umfangreichen Schriftsatz beim EuG eingereicht. Es ist anzunehmen, dass die russischen Investoren nun auf NeXovation zugehen werden, um über eine Rücknahme zu verhandeln. Konkrete Anzeichen für eine Rücknahme der Klage gibt es allerdings bisher nicht.

Auch die Klage des Vereins „Ja zum Nürburgring“ geht unverändert ihren Gang. Wie bereits berichtet, befinden wir uns noch im schriftlichen Verfahren. Eine mündliche Verhandlung könnte noch in diesem Jahr kommen, spätestens in 2017. Überlegungen zu einer Rücknahme dieser Klage sind noch nicht einmal ansatzweise diskutiert worden, weder innerhalb des Vereins, noch mit den Mitgliederorganisationen.

 

Welchen Einfluss hat das Closing auf die Klagen?

Keinen. Es hat nur eine Verlagerung des Risikos stattgefunden.

Die Klagen richten sich gegen einen Teil der Entscheidung der Europäischen Kommission, in dem sie den Verkaufsprozess trotz aller Beschwerden als EU-konform eingestuft hat. Das Ergebnis dieses Verfahrens kann nur eine von zwei Entscheidungsmöglichkeiten sein:

  • die Entscheidung der KOM bleibt gültig
  • die Entscheidung der KOM wird für nichtig erklärt oder abgeändert

Wer dann zu diesem Zeitpunkt gerade das Eigentum an der Nürburgring-Anlage hält, spielt dabei für die Klage keine Rolle.

 

Das Risiko der Klagen

Gewinnt eine oder beide Klagen, dann war also der Verkauf nicht EU-konform. Damit lebt sofort die Rückzahlungsforderung in Höhe von knapp 500 Millionen € wieder auf. Die russischen Investoren, oder wer immer dann Eigentümer ist, sehen sich dann mit dieser Rückzahlungsforderung konfrontiert.

In der Presse wurde berichtet, dass die neuen Eigentümer damit rechnen, dass sich die Klagen von selbst erledigen oder aber so lange dauern, dass das Ergebnis keine Rolle mehr spielt. Wir halten das für eine überaus optimistische Einschätzung, die wir nicht teilen.

Parteien in den beiden Verfahren sind ja die JzN vs. KOM einerseits, bzw. NeXovation vs. KOM andererseits. Sonst ist niemand beteiligt. Auch die insolventen Gesellschaften am Nürburgring, die noch vor wenigen Monaten als Streithelfer für die KOM in das Verfahren eingetreten waren, haben sich mittlerweile komplett aus dem Verfahren zurückgezogen. Damit ist die Liste der Parteien, die konkret juristischen Einfluss auf die Verfahren nehmen können, sehr kurz. Die neuen Eigentümer gehören nicht dazu.

Es wäre verfehlt, über die Erfolgschancen einzelner Klagen zu spekulieren. Aber ein Beispiel zeigt, dass das Verfahren sich nicht über ein Jahrzehnt erstrecken muss:

Sollte das EuG im Sinne der Kläger, also JzN oder NeXovation entscheiden, dann stellt sich die Frage, wer überhaupt noch ein großes Interesse an einem Rechtsmittel vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) haben könnte. Unterlegen wäre dann die KOM, für die aber die Einstufung des Verkaufsprozesses nur eine völlig untergeordnete Bedeutung haben dürfte in ihrem Beschluss. Viel wichtiger war die Feststellung der unrechtmäßigen Beihilfen, und daran rüttelt niemand.

Fällt das Urteil sehr deutlich im Sinne der Kläger aus, ist es durchaus möglich, dass die KOM keine Rechtsmittel anstrebt. Und außer ihr ist niemand sonst da, der dieses Rechtsmittel antreiben könnte. Käme das Rechtsmittel zum EuGH nicht, dann wäre nach dem EuG Schluss, und das wäre möglicherweise schon in 2017.

Und das wäre dann tatsächliche Rechtssicherheit, mit der der dann aktuelle Eigentümer umzugehen hätte.

 

Wie gesagt, nur ein Beispiel für einen der vielen Wege, die die Verfahren nehmen können. Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich die Verhältnisse am Nürburgring alle paar Monate ändern, daher empfiehlt sich Abwarten. Währenddessen wird der Betrieb mit Rennen und Touristenfahrten sicher in irgendeiner Form weitergehen, aber es deuten viele Anzeichen auf Veränderungen hin.

 

Der Nürburgring steht aktuell aufgrund jahrzehntelanger Politikverfehlungen der schlimmsten Sorte nicht mehr dem Wohle der Region zur Verfügung. Wir werden unseren Weg weiter verfolgen, der sich ausschließlich am Wohle des Nürburgrings, einer der Geburtsstätten des Motorsports und eines der Zentren automobilen Kulturguts, orientieren.

 

Pressekontakt:
Verein "Ja zum Nürburgring", Kontakt: Dieter Weidenbrück, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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